Je älter, desto mehr Medikamente
Menschen zwischen 60 und 64 Jahren nehmen durchschnittlich etwa 2 bis 3 Arzneimittel pro Tag ein. Ab 80 Jahren sind es im Mittel 4 bis 5. Die häufigsten Medikamente die im Alter eingenommen werden sind Medikamente gegen Herz-Kreislauferkrankungen, Medikamente gegen Diabetes und Schilddrüsenerkrankungen, Schmerzmittel aber auch Medikamente gegen Schlaflosigkeit oder Gedächtnisstörungen.
Das Alter beeinflusst Wirkungen und Nebenwirkungen
Medikamente wirken im Alter oft stärker. Deshalb ist es wichtig, die Dosierung individuell anzupassen.
Aber was ändert sich dann im Alter? Falten zeigen schon die Veränderung des Körpers was den Wasser- und Fettanteil angeht. So nimmt der Fettanteil im Alter auf bis zu 30 Prozent zu und der Wassergehalt nimmt bis zu 35 Prozent ab. Das sorgt dafür, dass Medikamente, die sich im Fettgewebe anreichern, im Alter länger wirken. Medikamente, die sich im Körperwasser verteilen können dann schnell zu hoch dosiert werden.
Ebenso verringert sich im Alter die Funktion der Nieren. Ab den 40 Lebensjahr nimmt die Funktion jährlich um etwa 1 Prozent ab. Wenn die Nierenleistung im Alter abnimmt, heißt dass, dass wasserlösliche Medikamente länger im Körper bleiben und nicht so schnell ausgeschieden werden können. Deshalb, muss im Alter die Dosis angepasst werden.
Das Nervensystem reagiert im Alter empfindlicher auf Medikamente, die am Nervensystem und am Gehirn ansetzen.
Blutdruckschwankungen können im Alter nicht so schnell kompensiert werden und führen deshalb schneller zu Schwindelprobleme und Stürzen.
Nutzen und Risiken von Medikamente im Alter
Medikamente sind im Alter häufig sehr wichtig. Sie können bei vielen Erkrankungen Linderung von Beschwerden verschaffen und sogar das Leben verlängern. Aber Medikamente haben auch Risiken, die vielen nicht immer bewusst sind.
Ein Problem kann die Mehrfachmedikation sein. Diese ist oft nötig, kann aber auch schädlich sein, wenn Medikamente sich untereinander nicht vertragen. Medikamente können sich gegenseitig in deren Wirkung bremsen oder sie verstärken, Nebenwirkungen können sich verstärken. Typische Nebenwirkungen können sein: Schwindel, Verwirrung, Trockener Mund, Schlafstörungen, Inkontinenz, Sturz.
Wenn Symptome plötzlich auftreten, lohnt es sich zu überlegen, ob die Probleme aufgetreten sind nach einer Umstellung der Medikamente. Nicht jeder der hinfällt hat ein gestörtes Gleichgewicht, oder nicht jede Schlafstörung hat mit dem Altern zu tun.
Ebenso wichtig ist es, frei verkäufliche Arzneimittel, nicht allzu häufig eigenmächtig einzunehmen. Auch Schmerz- oder Beruhigungsmittel, die sie sich ohne Rezept kaufen, können Nebenwirkungen von anderen Medikamente verstärken oder deren Wirkung beeinflussen.
Die Priscus-Liste
Die Priscus-Liste ist ein Katalog welche 83 Wirkstoffe umfasst, die im Alter problematisch sein könnten. Sie bietet ebenso Alternativen zu diesen Wirkstoffen. Der Name Priscus stammt vom Forschungsverbund Priscus (lateinisch für »altehrwürdig«), welcher sich beschäftigt mit der Gesundheit im Alter und gefördert wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Liste sei als Unterstützung für Ärzte und Apotheker gedacht, um diese für die vielfältigen Probleme bei der Arzneimitteltherapie älterer Menschen zu sensibilisieren.
Wer als Patient ein Priscus-Medikament einnimmt, sollte auf keinen Fall eigenständig absetzen, sondern darüber mit seinem Arzt sprechen. Eventuelle Nebenwirkungen verursacht durch ein Priscus-Medikament, können wieder verschwinden bei der Gabe von einem alternativen Wirkstoff. Es ist aber genauso gut möglich, dass sie ein Priscus-Medikament gut vertragen.
Die Priscus-Liste benennt die Medikamente nach ihren Wirkstoffen, nicht nach den Handelsnamen. Beide Angaben sind auf der Packung als auch auf den Beipackzettel zu finden.
Auf Ihre Aspirin-Packung, finden Sie ganz oben “ASPIRIN”. Das ist der Handelsname. Direkt darunter lesen Sie: “Tabletten mit 500 mg Acetylsalicylsäure”. Acetylsalicylsäure ist in diesem Fall der Wirkstoff.
Nur so Nebenbei: Acetylsalicylsäure steht nicht auf die Priscus-Liste.
Medikamente gegen Depression
Medikamente gegen Depression wirken direkt im Gehirn und beeinflussen die Wirkung bestimmter Botenstoffe. Die Medikamente sorgen zum Beispiel dafür, dass das “Glückshormon” Serotonin langsamer abgebaut werden. Es hebt sich die Stimmung, Betroffenen gehen häufiger unter Menschen. Es gibt aber viele Botenstoffen die an unserem Denken, Fühlen und unsere Motorik beteiligt sind. Problematisch ist, wenn ein Medikament nicht nur die Stimmung hebt, aber auch andere Hirnfunktionen beeinflusst, die nicht erwünscht sind.
Im Alter, reagieren die Nervenzellen teilweise empfindlicher auf Medikamente.
Gute Nachricht: es gibt Alternativen ohne Nebenwirkungen. Wenn Sie also ein Priscus-Medikament gegen Traurigkeit und Depression einnehmen, und Nebenwirkungen haben, sprechen Sie darüber mit ihrem Arzt und machen Sie ihm auf die Priscus-Liste aufmerksam.
Bei Depressionen ist auch hier bei der Selbstmedikation Vorsicht geboten. Auch das frei verkäufliche Johanniskraut, kann mit vielen Medikamenten in Wechselwirkung treten.
Einigen Beispiele von Wirkstoffe aus der Priscus-Liste sind Amitriptylin, Doxepin und Imipramin.
Neuroleptika
Diese Medikamente dienen auch bei Patienten mit psychischen Erkrankungen und werden eingesetzt bei Wahnvorstellungen, Schizophrenie und Erregungszuständen. Diese Medikamente greifen direkt an den Nervenzellen im Gehirn an und wirken “dämpfend”.
Nebenwirkungen können auch bei jungen Menschen sein: unkoordinierte Bewegungen, trockener Mund und Haut, Obstipation, Herzrasen und Blutdruckschwankungen. Bei älteren Menschen sind die Nebenwirkungen oft viel stärker.
Einigen Beispiele von Wirkstoffe aus der Priscus-Liste sind Thioridazin und Haloperidol.
Schlaf- und Beruhigungsmittel
Diese Medikamente sollten mit sehr viel Vorsicht eingenommen werden. Sie helfen bei Schlafstörungen, lindern Ängste, entspannen die Muskulatur und verringern Erregungszustände.
Diese Medikamente verstärken die Wirkung des GABA im Gehirn, einen Botenstoff welcher Gehirnfunktionen beeinflusst wie Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeit und unsere Sinneswahrnehmungen. Schlaf- und Beruhigungsmittel sind vor allem im Alter problematisch, weil diese das Gehirn ausbremsen. Es kommt häufiger zu Stürzen, weil das Reaktionsvermögen herabgesetzt ist. Ebenso verschlechtert sich die Gedächtnisfunktion, was eventuell dazu führen könnte, dass der ältere Patient eine schwere Demenz zugeschrieben wird, die ohne das Medikament nicht vorläge.
Außerdem führen die meisten Schlafmittel zur Abhängigkeit!
Einigen Beispiele für Medikamente aus der Priscus-Liste sind Diazepam, Bromazepam, oder Zolpidem.
Medikamente gegen Herzerkrankungen
Viele Medikamente für Menschen mit Herzerkrankungen sind sehr gut geeignet für den älteren Patienten. Die Standardkombination von zum Beispiel einen ACE-Hemmer, einen Betablocker und eine Wassertablette und ASS für die Hemmung der Blutgerinnung, sind sowohl für Jung und Alt gut geeignet.
Wenn aber Herzrhythmusstörungen dazu kommen, kann es sein, das Medikamente nicht gut vertragen werden da sie das biochemische Gleichgewicht in den Körperzellen ändern.
Nebenwirkungen können sein Schwindel, Unwohlsein, Schwäche, Benommenheit.
Beispiele von Wirkstoffe aus der Priscus-Liste sind das Digoxin, Chinidin oder Flecainid.
Medikamente bei Bluthochdruck
Die meisten Blutdruckmedikamente können bei älteren unproblematisch eingesetzt werden. Einige Medikamente, wie die Alpha-blocker, wirken nicht nur am Herzen und an den Blutgefäßen, sondern auch im Gehirn. Gehirnzellen bei alten Menschen sind empfindlicher als in jungen Jahren, sodass Nebenwirkungen auftreten können wie Kreislaufprobleme, Schwindel, Mundtrockenheit, Obstipation oder Traurigkeit.
Beispiele von Wirkstoffe aus der Priscus-Liste sind Doxazosin, Prazosin, Methyldopa oder Nifedipin.
Medikamente gegen Infektionen und Allergien
Die meisten Antibiotika können im Alter eingesetzt werden und sind oft die einzige Möglichkeit eine bakterielle Infektion zu bekämpfen. Eine Ausnahme gibt es bei den Wirkstoff Nitrofurantoin, wo bei langfristiger Gabe ein erhöhtes Risiko von Nieren-, Leber- und Lungenproblemen besteht.
Bei Allergien wird das Histamin blockiert. Hier tritt die Wirkung nicht nur an der Nase oder an der Haut ein, sondern auch im Gehirn, wo Histamin als Botenstoff eingesetzt wird. Es kann zu Mundtrockenheit, Obstipation oder Müdigkeit kommen. Teilweise besteht auch Zweifel an der Wirksamkeit von diesen Medikamenten beim älteren Menschen.
Wirkstoffe gegen Allergien aus der Priscus-Liste sind zum Beispiel Dimetinden oder Clemastin.
Medikamente gegen Schmerzen und Entzündung
Bei Schmerzen gibt es zwei Möglichkeiten der Medikamentöse Behandlung.
Es gibt Medikamente die den Schmerz direkt “vor Ort” blockieren wie das Ibuprofen, das Diclofenac und ASS. Diese “vor Ort”-wirkende Medikamente können zu Blutungen im Magen und Darm führen aber auch eventuell zu Blutdruckanstiegen und Ödeme. Vorsicht ist gegeben bei Wirkstoffe wie zum Beispiel das Indometacin, das Acemetacin oder das Ketoprofen. Das bekannte Ibuprofen, ASS und Diclofenac stehen nicht auf der Priscus-Liste.
Medikamente die wirken auf die Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem sind die Opiate, die stärksten Schmerzmittel überhaupt. Sie sind schwierig zu dosieren und werden nur bei sehr starken Schmerzen eingesetzt. Hier kann eine zu hohe Dosierung unter anderem zu Benommenheit führen. Diese Medikamente sollten mit große Vorsicht eingesetzt werden. Pethidin steht als Wirkstoff auf der Priscus-Liste und sollte im Alter durch die großen Risiken nicht eingesetzt werden.
Die vollständige Priscus-Liste finden sie im Internet unter www.priscus.net.
Quellen:
Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet? Bundesministerium für Bildung und Forschung
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/?id=34831